Pastoral für Menschen mit Gehörlosigkeit
Viele akustische Signale prägen unser Leben: Das Ticken des Weckers, Musik, Radiosprecher, Autohupe, Bahnhofsdurchsage, Schritte, Türenschlagen, ja selbst Kaffee eingießen, ein Glas absetzen oder Magenknurren – alles das verursacht Geräusche, deren wir uns überhaupt nicht bewußt sind, die wir aber wie ein ununterbrochenes Hintergrundgräusch hören,- w e n n wir nicht gehörlos sind. Gehörlos sein bedeutet: alle diese akustischen Signale nicht wahrnehmen können. Es bedeutet auch, statt dessen viel stärker auf optische Signale, Kommunikationshilfen und visuelle Sprachform angewiesen zu sein.
Gehörlosigkeit ist in erster Linie eine Kommunikationsbehinderung.
Ein Mensch mit Gehörlosigkeit, so könnte man sagen, ist nicht behindert, sondern er oder sie wird behindert. Auf gleicher Augenhöhe mit diesem Menschen zu sein, heißt zum Beispiel:
- auf Gebärdenkommunikation achten;
- für ausreichende Beleuchtung bei einem Gespräch sorgen, damit das Ablesen von den Lippen möglich wird;
- den Betreffenden direkt ansprechen und sofort nachfragen, wenn etwas nicht verständlich war . . .
Überall da, wo die Umwelt keine Rücksicht auf die allgemeinen Lebensgewohnheiten und die speziellen Bedürfnisse der Menschen mit Gehörlosigkeit nimmt, wird das Leben für die Betroffenen schwer und das Zusammenleben behindert. Menschen geraten dann, vielleicht am Arbeitsplatz oder im privaten Leben mit Freunden oder mit der Familie, in Konflikte, die sie nicht einschätzen und deshalb auch nicht angehen und lösen können. Erst mit der Unterstützung durch Menschen, die versuchen ihnen auf Augenhöhe zu begegnen, können sie den Konflikt verstehen und Kränkungen überwinden.
Begegnung mit Menschen auf Augenhöhe
Die Rede von Begegnung mit Menschen auf Augenhöhe ist dem Reden und Handeln Jesu von Nazareth nachempfunden. Jesus fühlte sich zu Menschen mit Benachteiligungen, Krankheiten, Behinderungen und besonderen Bedürfnissen ganz besonders hingezogen. Er behandelte sie nicht von oben herab, sondern trat auf Augenhöhe an sie heran und gab ihnen die Erfahrung, gleich wertig und gleich berechtigt zu sein:
- Er ging zu ihnen hin in ihre Einsamkeit, wenn das nötig war, und führte sie heraus in neue Lebensgemeinschaft.
- Andere nahm er weg von der Menge, wenn das nötig war, und gab ihnen neu die Erfahrung von Privatheit, Schutz und Intimität.
- Und er gab ihnen neue Orientierung und Lebensmitte, wenn ihnen Struktur und Einbindung in die Gesellschaft fehlten.
Die Aufgabe von Pastoral für Menschen mit Gehörlosigkeit
Pastoral für Menschen mit Gehörlosigkeit hat die Aufgabe, Möglichkeiten zu schaffen für möglichst viele Begegnungen von hörenden und hörgeschädigten Menschen – und zwar auf Augenhöhe. In den Diözesen Deutschlands werden unterschiedliche Formen praktiziert, nach denen hörende und gehörlose Menschen miteinander in Beziehung kommen. Überall aber geht es um den Versuch, miteinander das Leben zu gestalten:
- bei Festen und Begegnungen, im Kontakt von Mensch zu Mensch oder von Haus zu Haus (Koinonia);
- im Feiern von Gottesdiensten, in der Sakramentenkatechese und im ganzen kirchlichen Leben (Liturgia);
- in der gelebten Caritas, wo einer dem anderen zu Hilfe kommt und zu leben hilft (Diakonia).
So kann die Frohe Botschaft Jesu von Nazareth bezeugt und verbreitet werden, dass Gott jeden Menschen liebt und unendlich wert schätzt,- egal ob er oder sie mit einer Behinderung lebt oder nicht (Martyria).
Pastoral für Menschen mit Gehörlosigkeit hat zudem die Aufgabe, hörgeschädigten Menschen Raum für Begegnung untereinander zu bieten, wo sie sich treffen und miteinander austauschen können, ohne den Druck, sich in der für sie fremden Lautsprache verständlich machen zu müssen. Menschen mit Hörschädigung brauchen viele Möglichkeiten, mit anderen Hörgeschädigten zusammen zu sein, um hier Identität und Lebensmut zu schöpfen. Nur wenn das gelingt, können sie sich andererseits auch immer wieder der Anstrengung der Integration in die hörende Welt stellen.
Verband der katholischen Gehörlosen Deutschlands
Die katholischen Vereine und Gruppierungen gehörloser Menschen in den Bistümern Deutschlands sind bundesweit im Verband der katholischen Gehörlosen Deutschlands (VKGD) vereint. Der Verband organisiert geistliche Besinnungstage, Wallfahrten und Versammlungen sowohl auf Bundes- als auch auf Bistumsebene. Er fördert den Informationsfluß, den Kontakt und die Vernetzung von Menschen mit Gehörlosigkeit untereinander und zu den Seelsorgestellen in den verschiedenen Bistümern.
Der Fachbereich Menschen mit Gehörlosigkeit
Der Fachbereich Menschen mit Gehörlosigkeit in der Arbeitsstelle dient der Begleitung der Pastoral für Menschen mit Gehörlosigkeit im Gebiet der deutschen Bischofskonferenz (DBK) und ist in den vier Aufgabenfeldern der Arbeitsstelle tätig:
- Jahrestagung: Jährliche Konferenzen und Fachtagungen der Gehörlosenseelsorger der Bistümer Deutschlands.
- Zusatzqualifikation: Durchführung von Ausbildungslehrgängen für pastorale Kräfte, die im Auftrag ihres Bistums in die Pastoral für Menschen mit Hörschädigung einsteigen möchten.
- Fachzeitschrift: Fachliche Artikel und Buchbesprechungen sowie Berichte über pastorale Maßnahmen und Veranstaltungstermine der Hörgeschädigtenpastoral in der Zeitschrift Behinderung und Pastoral.
- Öffentlichkeit: Der Fachbereich Menschen mit Gehörlosigkeit in der Arbeitsstelle nimmt auf Bundesebene die Vertretung der Gehörlosenpastoral nach außen wahr: sowohl in das öffentliche Leben von Politik, Medien, Kultur und Kirchen hinein als auch innerhalb der katholischen Kirche selbst.